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Die Apfel-Lese im Kirdorfer Feld ist in vollem Gang. Das Kirdorfer Kelterfest wird an diesem Wochenende gefeiert.
(Anton J. Seib)
Jan Pförtsch und Lars Ulm stehen noch etwas schüchtern da. Als sie vor zwei Jahren nach Kirdorf gezogen sind, haben sie Anschluss gesucht. Den haben sie gefunden. Jetzt stehen die beiden Freunde auf der Streuobstwiese am verlängerten Weißkreuzweg und fragen was zu tun ist. Wenig später bücken sie sich und beginnen, die geschüttelten Früchte aufzulesen – es ist Apfel-Lese im Kirdorfer Feld.
 
Seit dem 12. September sind die Mitglieder der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF) in der Gemarkung zugange. Schon morgens um neun geht es los. Wer tagsüber arbeitet, hilft am späten Nachmittag mit. „Ein Super-Apfeljahr“, sagt Lothar Gadermann. Da wird jede helfende Hand gebraucht. Der Gerätewart des rührigen Vereins hat sich eigens drei Wochen Urlaub genommen, um gemeinsam mit vielen weiteren Vereinsmitgliedern der Apfelflut Herr zu werden. Zu den Helfern gehören auch Rüdiger Feisel und seine Frau Ulrike. Mit langen Hakenstangen schütteln sie die gelb-roten Schafsnasen von den Ästen. Zum Schutz haben sie Helme aufgesetzt. „Wer einmal von einem Apfel oder Ast getroffen wurde, macht es nicht mehr ohne“, sagt Ulrike Feisel.
 
Bis Einbruch der Dunkelheit
 
Die Äpfeln prasseln auf Plastikplanen, die um den Stamm gelegt wurden. Und wieder ist Handarbeit angesagt. Die faulen werden aussortiert, ebenso Blätter und Zweige. Denn in die Saftpresse sollen möglichst nur saubere Äpfel. „Das geht aufs Kreuz“, bekennt Ulrike Feisel, die wie die anderen an diesem Tag bis zum Einbruch der Dunkelheit den Rücken krumm macht und Äpfel in Jutesäcke packt. „Aber es macht Spaß, bei diesem sonnigen Wetter sowieso“, sagt sie.
Mit Traktor und Hänger werden die vielen hundert Säcke mit dem knackigen Kelterobst zur alten Feuerwache an der Schwalbacher Straße gefahren. Dort steht die mobile Kelter des Vereins, ein rund 40 Jahre altes Monstrum aus Stahl und Holz, das ein Vereinsmitglied vor einigen Jahren bei Ebay ersteigert hat. Die Äpfel wandern zunächst in einen Reinigungsbottich, werden dann zu Mus gestampft und über einen Schneckengang nach oben zur Presse transportiert. Dort wird die Maische auf Tücher geschüttet, insgesamt werden 13 Lagen übereinander gestapelt, ehe der Stempel mit fast 300 Atü auf die Stapel drückt. Bis zu 30 Zentner Äpfel können pro Gang verarbeitet werden, rund 1100 Liter Süßer fließen in dieser Zeit aus der Kelter. Der frische Most wird zunächst in vier 1.000-Liter-Tanks zwischengelagert, ehe er zum Gären in den früheren Eiskeller des Schwesternhauses gebracht wird. Dort reift dann über mehrere Woche das beliebte Kirdorfer Stöffche heran. Es wird übrigens nicht auf Flaschen abgezogen, sondern bleibt auf der Hefe stehen – das garantiert einen kräftigen Geschmack. Für die Mitglieder ist das edelste Getränk der Hessen kostenlos, Nicht-Mitglieder zahlen je Liter moderate 100 Cent.
 
Frankfurter Rundschau vom 23.9.2011