rundschau 2011 08 10 smalllogo fr
Auf den Ausfall 2010 folgt Super-Apfelernte / Es fehlt nur ein bisschen Sonne
Die Vorfreude ist am schönsten. Bald hängt mein Lieblingsbaum wieder voll mit knackigen Goldparmänen. Er steht am Waldrand auf einer Streuobstwiese, wo verrate ich aus naheliegenden Gründen nicht. Aber Ende September werde ich ihn wie jedes Jahr aufsuchen. Und sollten die rotgoldgelben Früchte dann schon reif sein, werde ich, verbotenerweise, ein besonders prächtiges Exemplar pflücken, kräftig hineinbeißen und das köstlich süß-säuerliche Aroma genießen. Ein Paradies, aus dem ich bislang noch nicht vertrieben worden bin – hoffentlich auch nicht in diesem guten Apfeljahr.
Malus domestica, so der wissenschaftliche Name des Kulturapfels, gedeiht in diesem Sommer besonders gut im Taunus. Er hat Hitze und Trockenheit im Frühjahr getrotzt, und kommt auch mit dem kühlen regnerischen Sommer gut zurecht. „Die meisten Bäume hängen voll“, sagt der Kronberger „Apfelpapst“ Heiko Fischer. Allerdings gebe es auch Lagen, in denen die Früchte nicht ganz so gut gedeihen. Aber gegenüber dem vergangenen Jahr fällt die Ernte diesmal laut Fischer „gut bis sehr gut“ aus. Eine Einschätzung, die auch Fred Biedenkapp von der Interessengemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF)teilt. „Einige Bäume brechen unter der Last zusammen, sagt Biedenkapp.
Und das liegt in der Natur der Sache. „Die Bäume konnten wegen der wenigen Früchte im vergangenen Sommer früh Knospen ansetzen. Sie hatten hatten somit viel Kraft , Blüten zu treiben. Nach Rekordernten dagegen verliert der Baum an Kraft, die nächste Ernte fällt dann meist schlechter aus“, erläutert Fischer das Prinzip des schwankenden Fruchtertrags im zweijährigen Wechsel, im Biologen-Deutsch Alternanz genannt. Natürlich spielen auch Wetter oder Schädlinge eine entscheidende Rolle.
Während die Obstbauern und privaten Streuobstbesitzer mit der Erntemenge zufrieden sein dürften, lässt sich derzeit über die Qualität der Äpfel noch nicht viel sagen. „Noch ist offen, wie der Schoppen wird“, sagt Fischer. In der Trockenperiode im April und Mai dürfte es vor allem den Planteagen-Äpfeln mit ihren kurzen Wurzeln an Nährstoffen gemangelt haben. Die Hochstämme mit ihren bis zu vier Meter in die Tiefe reichenden Wurzeln konnten für genügend Zufuhr sorgen. Das ist gut für Wachstum und Geschmack.
Wenn dann noch der gelobte Goldene Oktober den Früchten den letzten Aroma-Kick gibt, steht dem Genuss nichts im Wege. Diesmal aber ist die Natur etwa drei bis vier Wochen früher dran, die Oktobersonne könnte zu spät kommen.
Apfelweinfreund Peter Gwiasda vom BUND Wehrheim rät dennoch allen, die Apfelwein selbst keltern, zur Geduld. „Nicht so früh ernten, denn nur reife Äpfel haben das richtige Aroma.“ Sollte der Sommer aber in den nächsten Tagen zurückkehren, sehen die Apfelexperten dennoch gute Chancen für eine auch qualitativ gute Ernte. „Aber wenn ich rausschaue, sehe ich nur schwarze Wolken“, zeigt sich Fischer eher skeptisch.
Gwiasda hat übrigens im vergangenen apfelarmen Jahr eine interessante Erfahrung gemacht. Alle waren auf der Suche nach Kelterobst, es wurden selbst Bäume geschüttelt, auf denen nur 20 Früchte hingen. „Das führte zu einer besonderen Artenvielfalt – entsprechend gut fiel mein Stöffche aus“, sagt Gwiasda. Sein Rat an Hobby-Kelterer lautet deshalb: „Mischen Sie beim Keltern saure, aromatische und süße Äpfel :“ Die Säure macht den Apfelwein haltbar, wohlschmeckende Äpfel übertragen dem Endprodukt Eleganz und der Zucker bringt den Alkohol. Der liegt immerhin zwischen fünf und sieben Prozent.
Goldparmänen sollten wir aber vor der Kelter bewahren. Es ist zwar nirgends verbürgt, aber es war vermutlich die „Königin der Prinzessinnen“, die Eva damals vom Baum klaubte.
 
Frankfurter Rundschau vom 10.8.2011