Taunus Zeitung vom 25.3.2024, von Anke Hillebrecht
Am Schwesternhaus soll es im Sommer weitergehen - Neuer Hintereingang geplant
Zwei Gebäude im Stadtteil fallen beim Durchfahren positiv ins Auge und zeugen vom Selbstbewusstsein der katholischen Bevölkerung in ihrer Insellage inmitten einer protestantischen Gesellschaft. Zum einen die weithin sichtbare, große Kirche (deshalb „Kirdorfer Dom“), zum anderen das erhaben auf einem Hügel gelegene Schwesternhaus.
Knapp 100 Jahre lang lebten dort Gemeindeschwestern, die „von diesem Ort aus in Sozialarbeit, Kindergarten und gelebter Spiritualität wirkten“, wie das Bistum Limburg schreibt (siehe Box). Manche Kirdorfer können sich noch daran erinnern, wie die Schwestern mittags vom Kirdorfer Kreuz aus durch den Garten wandelten. „Sie hatten ja keinen Kreuzgang“, sagt Anwohner Franz Schöttner. Dafür gab es in dem Garten am Hang noch größere Obstbäume, Büsche und eine Rosen-Pergola.
Bäume und Büsche standen auch 2019, nach der umfangreichen Sanierung des Gebäude-Ensembles, noch. „Die Streuobstwiese wurde abrasiert“, sagt Michael Blew, der für die BLB im Ortsbeirat sitzt. Und seither liege der Garten im Dornröschenschlaf. Gerade ist Blew in dem Stadtteilgremium mit einer Initiative, das Thema anzugehen, gescheitert - sogar die Grünen lehnten ab. Auch die SPD, obwohl die das Thema in ihrem Wahlprogramm propagiert.
Blew hatte vorgeschlagen, führende Vertreter der Gemeinde St. Johannes und des Bistums Limburg einzuladen, um über eine neue Gartengestaltung und den maroden Eiskeller unter dem Schwesternhaus zu reden. Das sei eine Privatangelegenheit der Kirche, habe es geheißen, so Blew. Doch genau die habe ja gerade versprochen, dass am Garten noch etwas getan werde.
Gemeinde will Baumpaten suchen
Richard Müller, „alter“ Kirdorfer und im Verwaltungsrat St. Marien für Bauangelegenheiten zuständig, hat auch schon Pläne und Kostenvoranschläge, die er im Bistum nun einreichen will. Im Mai oder Juni werde die Verschönerung des Geländes weitergehen, kündigt er an. Zunächst soll der zweite Eingang an der Seite verändert werden: Der „Betonklotz“ soll abgetragen werden, der Eingang bleibt aber bestehen. Rund 100 000 Euro würden alle neuen Maßnahmen wohl kosten. 60 000 seien von der großen Sanierung noch übrig; nun will Müller fragen, was das Bistum dazugeben würde.
Oben an der Wiese soll außerdem ein neuer Weg zu dem Eingang führen. Im Zuge der Arbeiten muss womöglich der letzte größere Baum im Garten, die dicke Konifere, auch noch gefällt werden. „Sie steht genau über einem Kanal“, sagt Müller bedauernd. Die Stadt habe dafür schon ihr grünes Licht gegeben. „Wir werden versuchen, sie zu retten, aber ihre Zweige sind in die Mauer reingewachsen.“
Im Herbst soll dann der Garten neu bepflanzt werden. Dazu möchte Müller ein Gartenbauunternehmen konsultieren. „Wir wollen Paten für größere Bäume suchen.“ Mindestens 2 oder 2,50 Meter groß müssten die Bäume sein. Die beiden kleinen Setzlinge, die mitten auf der Wiese gepflanzt wurden, sollen sich dann in die große Bepflanzung einpassen. Blew könnte sich hier auch einen Kräutergarten im Stile des Klostergartens in Seligenstadt vorstellen.
„Wir Anwohner würden Bäume spenden und mit anpacken“, sagt Anwohner Uwe Fitz, der vor vier Jahren eine Bürgerinitiative gegen die Parkplatzerweiterung ins Leben rief. Auch die Interessensgemeinschaft Kirdorfer Feld (IKF) würde mitmachen, ergänzt Schöttner. Das weiß Müller, der das Thema aber auch in den Ortsbeirat bringen will.
Boccia-Bahn und Zufahrt vom Parkplatz
Der Parkplatz soll so bleiben, wie er ist. Eine Änderung werde „seitens der Verwaltung zurzeit nicht weiterverfolgt“, heißt es auf Nachfrage von der Stadtverwaltung. Junge Familien aus der Gemeinde wünschen sich auf dem unteren, eingeebneten Streifen der Wiese eine Boccia-Bahn. Die soll gebaut werden, so Müller. Der Maschendrahtzaun zum Parkplatz kommt weg, und in der neuen Begrenzung werde ein Tor eingebaut - „damit man mal mit Auto zur Wiese fahren kann“.
Nun schließt Schöttner das Tor zum Eiskeller auf - um in das Gewölbe unter dem Schwesternhaus zu kommen, muss man ein Stück den Stedter Weg hinauflaufen. Hier schenkt die IKF mittwochabends Apfelwein aus. Ein bisschen fühlt man sich hier wie in einem Labyrinth: Neben die rostigen T-Träger aus kaiserlicher Zeit wurde ein Gerüst aus weiteren Bausprießen gestellt - eigentlich eine vorübergehende Lösung. Es ist kalt und feucht; auf den hölzernen Stützbalken blühen Pilze. In der Ecke steht ein riesiger Kanister mit IKF-Ebbelwoi. Richard Müller war kürzlich mit einem Statiker hier drin. „Der hat gesagt: Das Gewölbe sieht noch sehr gut aus.“ Es würden aber neue Unterzüge eingebaut, damit das Gerüst abgebaut werden kann, kündigt Müller an. „Das geht aber erst, wenn der große Kanister Ebbelwoi ausgetrunken ist“, meint Schöttner lachend.
Bis 1972 Schwestern-Wohnhaus und Krankenstation
Das Schwesternhaus entstand 1873/74 gegenüber dem alten Ortskern auf dem Engelsberg. Es zählt heute neben dem „Dom“ zu den markanten Gebäuden im Stadtteil. Das Gebäude mit dem achteckigen Dachreiter wurde mit Spenden und in Kirdorfer Eigeninitiative für die Genossenschaft der „Schwestern von der göttlichen Vorsehung“ (Mainz) erbaut. Heute ist es Kulturdenkmal aus orts-, religions- und architekturgeschichtlichen Gründen. Die Schwestern wohnten im Haus und betrieben dort eine ambulante Krankenpflegestation - bis 1972. 1908 wurde zudem ein Kindergarten eröffnet, auch ein Waschküchenanbau wurde errichtet. Dort ist jetzt eine Bibliothek. Seit 1972 gibt es mangels Nachwuchs keine Schwestern mehr, und das Haus wurde zum Gemeindezentrum umgenutzt. Jugendgruppen treffen sich, der Chor probt hier, in der Kapelle finden Andachten statt. 2016 bis 2018 wurde das Gebäudeensemble für zwei Millionen Euro saniert und renoviert.
Danach hieß es von der Stadtverwaltung, mit der Sanierung seien sechs Parkplätze weggefallen, die wolle man dem allgemeinen Parkplatz unterhalb des Schwesternhauses zuschlagen, samt zusätzlicher Fahrspur. Dafür wollte die Stadt einen Streifen des Gartens abknapsen - und dafür Bäume fällen. Doch eine Bürgerinitiative sammelte rund 500 Unterschriften, und die Stadt zog ihre Pläne, den Parkplatz zu erweitern, zurück. Die sechs Stellplätze sollten an der Straße sowie auf dem Grundstück nachgewiesen werden, hieß es. Auch der Vereinsring erhob Anspruch auf den Parkplatz. Damit er etwa bei der Kirdorfer Kerb ein großes Festzelt aufstellen kann, wurde der untere Streifen des Gartens eingeebnet und geschottert. Zwischen Parkplatz und Garten wurde ein mobiler Zaun aufgestellt, der mittlerweile marode aussieht. Anfang 2021 wurde die komplette Bepflanzung des Schwesternhausgartens bis auf eine dicke Konifere abgetragen. ahi